2011-09-05 / Tagblatt / Martin Preisser
Angela Hewitt hat die grossen Erwartungen an ihr Spiel am Samstag in St. Laurenzen noch übertroffen. Selten wird an einem Klavierabend so unentwegt phrasiert und pausenlos dicht gestaltet. In Bachs Französischer Suite Nr. 4 hörte man von Beginn weg ein zauberhaftes Cantabile; Angela Hewitt gelang es, mit verinnerlichter Lebendigkeit Räume zu schaffen, die Suitensätze Bachs wurden zu reich gefüllten Phantasiegefässen.
Das Spiel der Kanadierin ist so intelligent-geistvoll wie spielerisch-sinnlich, ständig blühen neue Details auf. Mit einer geradezu zauberhaften Mischung aus Liebreiz und bewusster Durchdringung entwickelt sich ein Suitensatz organisch aus dem anderen. Selten hat man das Tänzerische mit einer ganz geheimnisvollen Patina des Jauchzens vernommen. Wahrhaft ein Bach der Extraklasse.
Auch in der weniger bekannten Schubert-Sonate Es-Dur op. 122 begeisterte Angela Hewitt mit einer spannenden Mischung aus Eleganz und Klangsinn. Geist- und ideenreich wie gleichermassen grazil zeigte sie hier eine grosse Palette feinster Lichtgebung, die sich sowohl auf das harmlos Wienerische wie das grüblerisch Abgründige dieser stiller konzipierten Sonate legte.
Maurice Ravels «Le Tombeau de Couperin» passte als drittes Stück des Abends perfekt, beschwört es doch in impressionistischem Licht französischen Barock herauf. Hewitt zeigte einen Ravel, der nicht einfach klangsinnlich dahinfloss oder rein virtuos ausgerichtet war. Es war ein Ravel, der sehr subtile Grade musikalischen Rauschens auffächerte. Hewitt zeigte sich als lebendige Interpretin, die im Jetzt gestaltete und ihrer speziellen Kunst des ständig Aufblühenlassens selbst freudig zuzuhören schien. Klavierspiel als blühender Garten, an Angela Hewitt wird sich das Publikum lange erinnern!