2007-05-09 / Esslinger Zeitung / Dietholf Zerweck
Kontrollierte Ekstase
Angela Hewitt mit Chopins 1. Klavierkonzert beim Staatsorchester
Stuttgart – Die kanadische Pianistin Angela Hewitt war bisher in Stuttgart von den Europäischen Musikfesten her als meisterhafte Interpretin Bachs und Mozarts bekannt. Nun hat sie Chopins e-Moll-Klavierkonzert mit dem Staatsorchester in der Liederhalle gespielt, und das mit außerordentlich feiner klanglicher Differenzierung und begeisterten Publikumsreaktionen.
Der Fazioli-Flügel, den Hewitt gegenüber dem Steinway für dieses Chopin-Konzert bevorzugt, klingt weicher und wärmer, aber nicht weniger brillant. Die Koloraturen des kantablen Soloparts und dessen unendliche Melodie haben eine wunderbare Klarheit und Plastizität, Hewitts wohldosierter Pedaleinsatz vermeidet alles Verschwommene, auch die wie von Kerzenglanz schimmernde Intonation der Holzbläser des Staatsorchesters ist von exquisiter Farbigkeit. In der Reprise des ersten Satzes verstärkt die Pianistin die rhythmische Spannung durch die akzentuierten Off-Beats in der Basshand. Kunstvoll lotet Angela Hewitt den Nocturne-Charakter des Larghettos aus, bis zu jenen prismatischen Akkorden der Überleitung gegen Ende des Satzes, die mit gläserner Empfindlichkeit hingetupft werden.
Leuchtende Aura
Kapriziös verspielt und dennoch mit energischer Zielstrebigkeit widmet sich Hewitt dem abschließenden Rondo vivace: Was hier zu einer vollkommenen Interpretation fehlt, ist höchstens eine Spur Temperament bei der jede Emotion in kon- trollierten künstlerischen Ausdruck verwandelnden Kanadierin, um den Tanzcharakter des polnischen Krakowiak mitschwingen zu lassen. Ihre Zugabe von Chopins Walzer e-Moll ist ein Kunstwerk atmender Rubati.