2007-05-08 / Stuttgarter Zeitung / Annette Eckerle
Musik für empfindsame Herzen
Das Konzert von Angela Hewitt und dem Staatsorchester Stuttgart im Beethovensaal
Chopin verkörperte die Epoche der Romantik wie nur wengie. Die Kunst war sein Leben, sein Leben ein Kunstwerk. In den Salons gab er den edlen Bohemien, dessen ausgesuchte Kleidung ebenso viel Geschmack und Lust am Spiel verriet wie Sehnsucht, hinter der sorgfältig gestalteten Fassade ein empfindsames Herz zu verbergen.
Was ihn bewegte, formulierte Chopin schliesslich in einem einzigen Satz: „Das Klavier is mein zweites Ich.“ Der Pianist Alfred Cortot, einer der grössten Interpreten und Fürsprecher Chopins, befand darüber mit den Worten: „Der Musiker ohne Virtuosität hat zu dieser Welt pianistischer Wagnisse ebenso wenig Zugang wie der Virtuose ohne Musikalität.“ So steht zu vermuten, dass Angela Hewitt eine Pianistin ganz nach dem Herzon von Chopin und Cortot sein dürfte. Sie lässt sich nicht täuschen von der brillant glitzernden Oberfläche, die Chopin seinen Herzensmusiken zum Schutz umlegte.
Im Beethovensaal hätte man die berühmte Stecknadel fallen hören können, als sie zusammen mit dem Staatsorchester Stuttgart und Constantin Carydis am Pult Chopins e-Moll-Klavierkonzert interpretierte, ja nachkomponierte. Wie nur selten wurde bein Spiel der Angela Hewitt klar, dass Chopin eben nur diejenigen wirklich verstehen können, die auch ihren Bach kennen, die über all den delikat verbbenen Harmonien und dem scheinbar prätentiösen Verzierungswerk nie vergessen, dass Chopin sKompositionen formale Meisterstucke sind, in denen es den goldenen Schnitt zu bewahren gilt, trotz der vielen Rubati und Accerlerandi, trotz extrem schneller Charakterwechsel, trotz der stets pointierten Rhythmik, die im Übrigen von so vielen ignoriert wird, zugunsten eines falschgefühligen Legatos.
Am Ende wurde Angela Hewitt gefeiert als Inkarnation von Cortots Idee des idealen Chopin-Interpreten, als eine Pianistin, welche die fragilen Konstruktionen Chopins niemals mit Klangfarbe zukleistern würde, gerade um dessen vorweggenommene Affinität zum Impressionismus zu bewahren.