2007-05-12 / www.klassik.com / Markus Rubow
Natürliches und tief empfundenes Spiel
Rameau, Jean-Philippe: Klaviersuiten
Label: Hyperion , VÖ: 26.01.2007
Jean-Philippe Rameaus Klaviersuiten sind scheinbar ‘in’. 2001 legte Alexandre Tharaud seine fulminante Einspielung vor, 2006 konnte Tzimon Barto mit seiner viel gerühmten Anthologie ‘A Basket of Wild Strawberries’ einen der größten Erfolge des Jahres für sich verbuchen. Nun schließt sich Angela Hewitt an, die für ihre früheren Aufnahmen barocker Klaviermusik ebenso wie die beiden männlichen Kollegen einhelliges Lob erhielt. Alle drei spielen ihr in großen Teilen deckungsgleiches Rameau-Repertoire auf einem modernen Flügel, so dass sich der direkte Vergleich geradezu anbietet. Allerdings steht außer Frage, dass jeder Hörer seinen eigenen Favoriten selbst finden muss, denn die Herangehensweisen der drei Künstler unterscheiden sich zum Teil doch erheblich. Der klangsinnigen Deutung Tharauds steht die romantische und verinnerlichte Interpretation Bartos gegenüber.
Angela Hewitt findet ihren eigenen Weg und kommt dabei dem Klangbild des Cembalos respektive des Clavecins so nahe wie nur möglich, ohne dabei die spieltechnischen Errungenschaften des Flügels zu leugnen oder außer Acht zu lassen – zweifelsohne das Ergebnis ihrer langjährigen und erfolgreichen Beschäftigung mit der Musik J.S. Bachs und Couperins. Feinste Abstufungen in Agogik und Dynamik lassen Hewitts Spiel äußerst natürlich und tief empfunden erscheinen. Die so erreichte Intimität wird nicht zugunsten einer aufgesetzt wirkenden Durchsichtigkeit des Satzes geopfert, sondern auf geradezu geniale Art und Weise mit ihr kombiniert. Unaufdringlich, ohne in pianistische Extreme zu verfallen, realisiert sie die diffizilen, von Rameau geforderten Verzierungen beinahe beiläufig.
Neben der mehr als überzeugenden Ausführung der Suiten e-Moll(1724, rev. 1731), g-Moll (1729/30) und a-Moll (1729/30) beweist die Pianistin auch in dem von ihr selbst verfassten Einführungstext im Booklet, dass sie sich tiefergehend mit Rameau und seiner Musik auseinandergesetzt hat, die mitunter persönliche Assoziationen in ihr weckt: Les sauvages aus der Suite g-Moll stellt tanzende Indianer dar, wie Rameau sie 1725 auf einem Jahrmarkt erlebt hat; Hewitt fühlt sich hier an die Ureinwohner ihrer kanadischen Heimat erinnert. Einige durch ihre Eigentümlichkeiten charakterisierte Stücke werden ausführlicher, dabei leicht verständlich und recht unterhaltsam besprochen. Aufnahmetechnische Mängel sind bei der von Hyperion publizierten SACD nicht festzustellen, statt dessen präsentiert sich der Klang des Flügels adäquat zum intimen Charakter der ursprünglich für Clavecin konzipierten Musik.